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1. DIE BRIEFMARKE ALS EIN ORT DER REPRÄSENTATION
BEDEUTENDER FRAUEN

6. KÄTHE NIEDERKIRCHNER, EINE DDR-BRIEFMARKE GEGEN DAS VERGESSEN VON OPFERN DER NAZI-DIKTATUR

8.  REPRÄSENTANTINNEN EINER UNTERGEGANGENEN
SALONKULTUR IM ALTEN BERLIN

 

 
8.  REPRÄSENTANTINNEN EINER UNTERGEGANGENEN
SALONKULTUR IM ALTEN BERLIN



Bettina von Arnim
1785 - 1859


Rahel Varnhagen
1771 - 1833


Beide Frauen, Bettina von Arnim und Rahel Varnhagen, sind Protagonistinnen einer untergegangenen Kultur, man kann auch sagen einer untergegangenen Kultureinrichtung im alten Berlin, genannt Salon.

Der oft verwendete Begriff Salondame, der wie Anstandsdame klingt, gibt nicht annähernd wieder, welche ausstrahlende Persönlichkeiten beide Frauen waren und mit welcher Kreativität und Weltoffenheit sie jeweils ihren Salon führten. Hier wurde gespeist, geplaudert, gestritten, rezitiert, musiziert, kontaktiert, aber vor allem klug und originell kommuniziert.

Der Höhepunkt dieser Salonkultur liegt in der Zeit zwischen 1780 und 1830. Es war die Endphase Friedrich des Großen (Friedrich II.). Das Kaffeebrennen war bei Schwerststrafe verboten, die ersten Manufakturen entstehen und Nathan der Weise wird uraufgeführt. Als 1786 Friedrich der Große (der II.) in Sanssouci stirbt, nehmen die Berliner dies sachlich zur Kenntnis, seine unendlichen Kriege, seine Geldeintreibungen und seine Strenge haben ihn unbeliebt gemacht. In die Berliner Salons - sowohl der Rahel, als auch der Bettina - dringt diese Strenge nicht durch. Die Salons sind vielmehr Orte der Freimütigkeit, des geistig-kulturellen Austausches und der originellsten Kommunikation, was Streit, Machtkämpfe und Intrigen nicht ausschließt.

Als eigentliche Begründerin der Berliner Salonkultur wird jedoch die 1764 geborene Henriette Herz angesehen, die aber aufgrund ihrer schlechten Finanzen ab etwa 1803 ihren Salon aufgeben mußte.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß dies die Zeit der höfischen Ordnung, der Stände und Klassenunterschiede war, wie muß es als ein Wunder anmuten, daß sich in den Salons Angehörige aller gesellschaftlichen Kreise zusammenfanden.

Bei "Mademoiselle" Levin, wie Rahel genannt wurde, trafen sich die Brüder Humboldt, Chamisso, Prinz Louis von Preußen, Ranke, Hegel und Fürst Pückler. Bei aller Offenheit vermeidet man jedoch die politische Konfrontation. Ihre näheren Freunde nennen sie Rahel. Sie lädt schon am frühen Nachmittag zu Tee und Gebäck ein und hat die inspirierende Gabe, ihre Gäste sofort miteinander ins Gespräch zu bringen. Hierbei kommt ihr eine wache Intelligenz und eine schnelle Auffassungsgabe zugute. Man spricht über das Leben, die Liebe, die Seele, die Literatur und den Tod. Ihre Erfahrung, als Jüdin und Frau vom gleichberechtigten gesellschaftlichen Umgang ausgesperrt zu sein, hat sie vorsichtig gemacht und Themen, wie Staat, Politik und Gesellschaft aus der Diskussion herausgehalten. Erst in einer späteren Salon-Phase, als sie mehr Erfahrung und Anerkennung gesammelt hatte, etwa ab 1819 in der Französischen Straße und später dann, ab 1827 in der Mauerstraße, bezieht sie auch gesellschaftliche und politische Themen in ihre Salongespräche mit ein.

Hingegen herrscht im Salon der Bettina von Arnim von Anfang an ein politisch reger Geist. Allerdings war Bettina durch ihre nicht jüdische Herkunft von Anfang an privilegiert. Als jüngere Schwester des Dichters Clemens Brentano war sie schon früh an das gesellschaftliche Leben gewöhnt. Hinzu kam ihr früher Ruhm durch die Bekanntschaft mit Goethe. Ihr Salon wird spätestens nach 1848 (dem Revolutionsjahr) zum Zentrum einer politischen Gegenöffentlichkeit, was zur Folge hat, daß sich der Besucherkreis wandelt. Sie sympathisiert offen mit den Revolutionären, wie Gottfried Kinkel, Michael Bakunin und Karl Marx und setzt sich bei Hof für politisch Verfolgte ein. Bettinas Courage gipfelt in einem kritischen Bericht über die Lage der Armen, den sie 1843 unter dem Titel. "Dies Buch gehört dem König" veröffentlicht.
Inzwischen sind ihre Töchter herangewachsen, so daß es im Hause Arnim teilweise zwei Salons gibt, den der aristokratischen Töchter und den der demokratischen Mutter.


Wenn auch die Salongewohnheiten beider Frauen sehr unterschiedlich sind, so vereint sie doch ihr freier Geist, ihre Offenheit, Bildung und Regsamkeit.
Eine weitere Gemeinsamkeit war ihre literarische Begabung. Von beiden besteht ein großer literarischer Nachlaß und Briefwechsel.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß wir von einer Zeit vor ca. 200 Jahren sprechen, wo selbst begüterte Frauen rechtlos aufwuchsen und weibliche Bildung und Ausbildung lediglich verstanden wurde als Ausstattungskapital für eine gute Heirat, so mutet das Leben dieser beiden Frauen als kühner Wurf an.

Als 1831 in Berlin eine Cholera-Epidemie ausbricht, erkrankt Rahel Varnhagen. Bettina von Arnim pflegt sie bis zu ihrem Tod am 7. März 1833.
Bettina von Arnim hat sie 26 Jahre überlebt. Im Kreise ihrer 6 Kinder (ursprünglich 7 Kinder) ist sie 1859 im Alter von 74 Jahren in Berlin gestorben.

Die eigentliche Blütezeit des Berliner Salons, die überwiegend von jüdischen Frauen geführt wurden, wird von 1780 - 1806 datiert.

Die Berliner Salonkultur ist von drei Ereignissen stark beeinflußt worden:
Dies war 1806 der Einmarsch der Truppen Napoleons in Berlin,
1831 die Cholera-Epidemie und
1848 die Revolution.
Alle drei Ereignisse führten auch zu einer Geldknappheit in den Adelskreisen und im gehobenen Bildungsbürgertum.

Die Folgeerscheinungen der 48er Revolution mit ihren Verhaftungen, den Inhaftierungen und Verunsicherungen bewirkten eine neue Salonkultur in Berlin, die sogenannte Tischgesellschaft des christlich deutschen Bürgertums.
Dieser neue Berliner Salon begann seine eigentlichen Begründerinnen, nämlich jüdische Frauen, allmählich auszuschließen.
Wie konnte das geschehen?

Das gesellschaftliche Klima war intoleranter geworden und getragen von einem antisemitistischen Neidkomplex. Man war auch der Meinung, daß die Emanzipation der Frau schädlich sei, weil damit ihre Rolle als Mutter und Ehefrau angeblich verloren ginge. Der von Frauen gestaltete Salon war so lange interessant, wie er als Stätte der kulturellen und sozialen Kreativität begriffen wurde. Als man jedoch erkannte, daß der Salon sich auch zu einer Stätte der religiösen und politischen Emanzipation entwickelte, begann man die Salons und ihre Repräsentantinnen zu ignorieren und zu bekämpfen.