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1. DIE BRIEFMARKE ALS EIN ORT DER REPRÄSENTATION
BEDEUTENDER FRAUEN

6. KÄTHE NIEDERKIRCHNER, EINE DDR-BRIEFMARKE GEGEN DAS VERGESSEN VON OPFERN DER NAZI-DIKTATUR

8.  REPRÄSENTANTINNEN EINER UNTERGEGANGENEN
SALONKULTUR IM ALTEN BERLIN

 

 
6.  KÄTHE NIEDERKIRCHNER, EINE DDR-BRIEFMARKE
GEGEN DAS VERGESSEN VON OPFERN DER NAZI-
DIKTATUR


Die DDR hat mehrfach Briefmarken zum Erhalt Nationaler Gedenkstätten, wie Ravensbrück, Sachsenhausen usw. herausgegeben. Innerhalb einer solchen Serie von Widerstandskämpfern und KZ- Opfern erschien 1959 auch die Briefmarke von
Käthe Niederkirchner.

Wer war Käthe Niederkirchner und was macht sie so bedeutsam, daß wir uns heute - 57 Jahre nach ihrem Tod - ihrer Person erinnern?

Käthe Niederkirchner, - genannt Katja - Kommunistin, Antifaschistin und Widerstandskämpferin, gehört zu der 0,0-Rate jener deutschen Mitbürger, die in der Nazizeit nicht zu- oder wegsahen, sondern die Courage aufbrachten, gegen die Nazidiktatur zu kämpfen.
Sie wird am 7. Oktober 1909 im Arbeiterviertel von Berlin, am Prenzlauer Berg, in der Pappelallee 22, geboren. Sie hat fünf Geschwister. Ihr Vater ist Rohr-leger, die Mutter Hausfrau. Die Eltern stammen aus Ungarn, ein Umstand, der ihnen im späteren Hitler-Deutschland das Leben retten sollte. Katja, wie ihre Freunde sie nennen, kommt aus einer vergessenen Arbeiterkultur, in der sozialer Alltag und politisches Handeln noch eine untrennbare, glaubwürdige Einheit ist. Mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Mia besucht sie den Arbeitersport-verein Fichte.

1924 beginnt sie eine Schneiderlehre und wird ein Jahr später Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes. Später bildet sie sich an der Marxistischen Arbeiterschule in Ökonomie, Stenografie und Sprachen aus. In der Partei arbeitet sie im Bereich der Sportbewegung als Frauenleiterin und später im dortigen Landesfrauenausschuß mit dem Schwerpunkt Agitation. In Wahlkampfversammlungen fällt sie durch ihr Redetalent und ihren Mut auf. Sie verteilt Flugblätter und warnt in öffentlichen Versammlungen vor der drohenden Naziherrschaft. Das führt in der Zeit vom Herbst 1931 bis zu Hitlers Reichskanzlerernennung am 30. Januar 1933 zu wiederholten Verhaftungen.

Der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 bietet den Nazis den erwünschten Anlaß, nunmehr ohne jede Rücksicht gegen ihre Gegner vorzugehen. Am 27. März 1933 wird Katja, die einen ungarischen Paß besitzt, wegen "staatsfeindlicher Betätigung" ausgewiesen. Sie emigriert in die Sowjetunion. Dort arbeitet sie als Schneiderin in einem Moskauer Bekleidungswerk. Auf abenteuerlichen Wegen gelangen die drei Geschwister und die Eltern ins Moskauer Exil. Lediglich die älteste Schwester Lene bleibt in Deutschland. Sie ist mit einem deutschen Offizier verheiratet. Etwa zwei Jahre verbleibt Katjas jüngere Schwester Mia im Untergrund in Deutschland, um schließlich 1935 dann auch in Moskau anzukommen.

Als die Deutschen im Juni 1941 die Sowjetunion überfallen, entschließt sich Katja zur Partisanenarbeit. Zunächst leistet sie Aufklärungsarbeit unter deutschen Kriegsgefangenen. Etwa Anfang 1943 läßt sie sich als Partisanin ausbilden mit dem Ziel, hinter den deutschen Linien abzuspringen und Kontakt mit dem Widerstand in Berlin aufzunehmen. In der Nacht zum 7. Oktober 1943, an ihrem 34. Geburtstag, fliegt sie mit einem sowjetischen Flugzeug hinter die deutschen Linien.

Welche Nervenanspannung sie zu bewältigen hat wird u.a. daran deutlich, daß das Flugzeug innerhalb einer Woche mehrmals über dem Absprunggebiet kreist, aber aus Witterungsgründen und wegen der ausbleibenden Verabredungszeichen, muß sie immer wieder zurück. Mit ihr an Bord ist Wilhelm Pieck's Schwiegersohn, Theo Winter, und diverse Waffen für den polnischen Untergrund. Kurz vor ihrem Abflug trifft sie sich noch einmal mit ihrer Schwester Mia, die in anderen Umständen ist. "Wenn es ein Mädchen wird, so soll es Deinen Namen tragen", sagt Mia zum Abschied.

Als schließlich der Absprung gelingt, landet Katja mit ihrem Fallschirm in einem Baum, aus dem sie erst Stunden später von polnischen Partisanen befreit wird. Ihr damaliger Befreier war der polnische Partisan Waclaw Czyzewski, der später Divisionsgeneral und Botschafter. Auf der Eisenbahnfahrt nach Berlin gerät sie in eine Polizeikontrolle und wird wegen der nicht mehr gültigen Lebensmittelkarten durchsucht. Das hierbei gefundene Funkgerät führt zur Verhaftung und Übergabe an die Gestapo. Nunmehr erfolgt eine zwölfmonatige Tortur von nicht auszudenkenden Folterungen, Verhören, erneuten Gefängnis-verlegungen, neue Prügeleien und neue Quälereien. In der Zeit unternimmt sie ihren ersten Selbstmordversuch.



Im Sommer 1944 wird sie ins KZ Ravensbrück gebracht. Die Gestapo hält sie offenbar für wertlos, da alle Foltermethoden sie zu keinem Geständnis bringen konnten. Lediglich ihren Namen hatte sie preisgegeben. In ihren Erinnerungen schildert die damalige Ravensbrück-Insassin Maria Kuhn-Wiedmaier wie sie Katja in Ravensbrück sah. Aus der hübschen sportlichen Frau war ein Bündel aus Haut, Knochen und Nerven geworden. Die Kameradinnen lancierten sie in die Zuschneiderei, wo sie einigermaßen geschützt, ein wenig gepflegt wird.

Am 17. September 1944 wird sie zum Lagerkommandanten bestellt mit der Folge von 10 Tagen Bunkerhaft. Dort verliest ihr am 27.09.1944 der sog. Schutzlagerführer ihr Todesurteil.

In der Nacht vom 27. zum 28. September 1944 wird Katja Niederkirchner vom SS-Lagerführer Bäuning ermordet. Nur so als Merkpunkt: der Lagerkommandant hieß Suhren.
Kurz vorher gelingt es ihr noch, ein Kassiber aus der Zelle zu schmuggeln. Dort steht u.a.: "Heute hat man mir mein Todesurteil vorgelesen. Also wird es wohl heute abend passieren. Ich hätte noch so gern die neue Zeit erlebt. Es ist so schwer, gehen zu müssen."


Nachtrag:

Katja Niederkirchner wurde in der berüchtigten Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße gefoltert und verhört. Deshalb trägt diese Straße ihren Namen, nämlich: Käthe-Niederkichner-Straße. Ein würdiger Straßenname am Ort der Topographie des Terrors und am jetzigen Abgeordnetenhaus von Berlin.